Die öffentliche Aufschrei der Empörung war groß und der Imageschaden für die Stadt Essen gewaltig, als im Februar dieses Jahres bekannt wurde, dass sich der damalige Geschäftsführers der städtischen Grundstücksverwaltung Essen (GVE), Andreas Hillebrand, beim Bau des neuen Fußballstadions an der Hafenstraße eines wahren Kunstgriffes bedient hatte: Um Löcher zu stopfen, die sich bei der Finanzierung der 50 Millionen Euro teuren Arena aufgetan hatten, nutzte Hillebrand ausgerechnet jene Millionen, die er treuhänderisch für die Instandhaltung des Museum Folkwang hätte verwalten sollen.
Wer aber geglaubt hat, der ehemalige GVE-Chef wird dafür zur Kasse gebeten, dürfte ernüchtert zur Kenntnis nehmen: Daraus wird nichts. Einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber Andreas Hillebrand können die von der GVE mit der rechtlichen Bewertung beauftragten Juristen jedenfalls nicht erkennen. Versäumnisse sehen sie vielmehr im Rathaus an höchster Stelle: Die Stadt Essen müsse sich entgegen halten lassen, „dass sie aufgrund eigener Sorg- und Arglosigkeit ein erhebliches wenn nicht gar überwiegendes Mitverschulden trifft“, heißt es in ihrem Gutachten.
Die skandalösen Vorgänge nahmen demnach ihren Lauf, als Oberbürgermeister Reinhard Paß und Simone Raskob als für die GVE zuständige Dezernentin Hillebrand im November 2011 eine Vollmacht ausstellten, die es ihm erlaubte, die Stadt im Zusammenhang mit dem Museums-Neubau zu vertreten. Verwundert stellen die Gutachter fest: Die Bedeutung des Projektes hätte es nahe gelegt, dem Geschäftsführer zum Umgang mit besagter Vollmacht „klare Handlungsanweisungen“ nebst „Berichtspflichten“ aufzuerlegen. Nichts dergleichen sei geschehen. Stattdessen sei Hillebrand eine „carte blanche“ erteilt worden; ein Persilschein, den Hillebrand zur Zweckentfremdung der Folkwanggelder nutzen konnte.
Der GVE-Chef forderte nicht nur 2,8 Millionen Euro aus den Jahren 2011 und 2012 an, die bereits auf einem Treuhandkonto lagen. Mit Verweis auf die Vollmacht verlangte er von der Stadt Essen weitere 1,4 Millionen Euro, die Instandhaltungsrate für 2013. Für eine solche Forderung war besagte Vollmacht weder gedacht, noch war sie dafür geeignet, betonen die Gutachter. Schonungslos formulieren sie: Um dies erkennen zu können, hätte es keiner tieferen juristischen Kenntnisse bedurft. Ja: Eine „sorgfältige Prüfung“ hätte zeigen müssen, „dass hier etwas nicht stimmen kann“.
Dass Hillebrand wusste, wofür das Geld bestimmt war, liegt für die Gutachter auf er Hand. Als Chef des Beteiligungsmanagements dürfte er 2009 den Ratsbeschluss, der der Einrichtung der Instandhaltungsrücklage zugrunde liegt, selbst verfasst haben. Die Einschätzung, die Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve aber im Juni diesen Jahres auf eine Anfrage aus dem Rat formuliert hatte, wonach es keiner weiteren schriftlichen Vereinbarung zwischen der Stadt und der GVE über die treuhänderische Verwendung des Geldes bedurft hätte, da beiden Seiten die Verträge zum Museum bestens bekannt gewesen seien – diese Einschätzung erweist sich als krasse Fehlannahme. Denn einer solchen Vereinbarung hätte es nach Überzeugung der Gutachter sehr wohl bedurft.
Doch selbst nachdem die GVE das Gebäudemanagement für das Museum übernimmt, versäumt es die Stadt entsprechende Regelungen schriftlich zu fixieren. Schlimmer noch, „die Vertreterin der Stadt im Aufsichtsrat“ – diese Funktion hat Baudezernentin Simone Raskob inne – tat offenbar einiges dafür, den Aufsichtsrat im Glauben zu lassen, alles habe seine liebe Ordnung. Ihre Erklärung, der Übergang des Gebäudemanagements auf die GVE sei „lange vorbereitet und intensiv abgestimmt“, war nach Bewertung der Gutachter gar dazu angetan, „den Aufsichtsrat der GVE in die Irre zu führen“. Schonungslos heißt es: „Wesentliche interne Kontrollmechanismen der GVE wurden also ausgeschaltet.“